Rückblick:
Der von der Poliklinik Veddel veranstaltete Fachtag fand am 09.02.2019 von 11:00 bis 17:00 Uhr im Café Nova im Stadtteil Veddel statt. Die Moderation des Tages übernahmen Katja Schlegel und Dr. Jan Kaiser aus der Poliklinik. Das Rahmenprogramm wurde durch 4 Referent*innen mit Fachbeiträgen gestaltet. Abschließend gab es eine offene Diskussionsrunde. Insgesamt konnten ca. 80 Teilnehmer*innen aus dem Stadtteil und von außerhalb begrüßt werden. Zusätzlich zur Fachöffentlichkeit fand die Veranstaltung auch bei Bürger*innen des Stadtteils, Vertreter*innen von ansässigen Institutionen und der Polititk sowie weiteren Interessierten Anklang.
Redebeiträge:
Prof. Dr. Wilfried Schnepp, Universität Witten-Herdecke – Einführung CHN Konzept in Deutschland
Franka Seyboth, Ernst-Abbe-Hochschule Jena – Vorstellung Pflege Survey Veddel
Prof. Corinna Petersen-Ewert, HAW Hamburg – aufsuchende Präventionsarbeit im Quartier
Gerd Dielmann – Pflegesprechstunde, Kompetenzen und juristische Grauzonen
Diskussion:
In der abschließenden Diskussionsrunde konnten verschiedene Fragestellungen erörtert werden: Was heißt eigentlich Community Health Nurse auf der Veddel? Welche Tätigkeitsbereiche sollen übernommen werden und welche nicht? Wie soll das Konzept gedacht werden?
Aufgrund der regen Beteiligung und Mitarbeit der Teilnehmer*innen konnten wir viele verschiedene Blickwinkel, Fragestellungen und Anregungen aus verschiedenen Fachbereichen und Disziplinen mitnehmen. Diese Fülle hat uns sehr dabei geholfen, unsere Vorstellungen weiter zu konkretisieren und ein Konzept für die Umsetzung auf der Veddel zu entwerfen. Nachfolgend möchten wir Euch/Ihnen einen Ausschnitt des Konzepts präsentieren.
Community Health Nursing auf der Veddel - ein bedarfsgerechtes Konzept
Vorhaben:
Die Etablierung einer Community Health Nurse (CHN) zielt auf die Entwicklung eines niedrigschwelligen Zugangs zu Leistungen der Gesundheitsversorgung und -vorsorge. Im Stadtteilgesundheitszentrum Poliklinik Veddel wird eine CHN Struktur primär für diesen Stadtteil etabliert. Die CHN ist Teil eines multiprofessionellen Teams aus Ärzt*innen, Sozialarbeiter*innen, Psycholog*innen und Therapeut*innen. In gemeinsamen Fallbesprechungen und einem kontinuierlichen Austausch wird eine umfassende Versorgung der Patient*innen ermöglicht.
Die CHN wird im Stadtteil Veddel im Rahmen des Projektes autonom in einem definierten Handlungsfeld tätig sein und die Möglichkeiten einer erweiterten Pflegepraxis in Deutschland erproben. Mit den Hausärzt*innen der Poliklinik Veddel arbeitet sie eng zusammen.
Das Aufgabengebiet der CHN wird zwei Bereiche umfassen:
1. Pflegesprechstunde:
In einer eigenen Pflegesprechstunde wird sie chronisch kranke Patient*innen, unter Berücksichtigung ihrer psychosozialen Problemlagen, anleiten, beraten und befähigen, um sie so bei der Bewältigung ihres Alltags zu unterstützen. Durch eine intensive Einzelfallbegleitung wird eine umfassende Versorgung für diese Menschen ermöglicht.
2. Aufsuchende Präventionsarbeit:
Darüber hinaus ist eine aufsuchende Präventionsarbeit im Stadtteil Veddel integraler Bestandteil des CHN Konzepts, um einen niedrigschwelligen Zugang zur ambulanten Versorgung zu schaffen. Hierbei stehen health literacy (= Fähigkeit gesundheitsrelevante Informationen zu finden, zu verstehen und anzuwenden) und ein spezielles Beratungsangebot für Chroniker*innen im Mittelpunkt. Weiter werden Multiplikator*innen aus dem Stadtteil identifiziert, die durch die CHN eine gesundheitliche Basis-Schulung erhalten, um partizipativ (= unter Beteiligung der Betroffenen) zu agieren und den Zugang zu den verschiedenen Communities zu ermöglichen.
Ziel:
Mit dem Projekt wird ein interdisziplinäres Versorgungsmodell an der Schnittstelle zwischen Pflege und Gesundheitsförderung zur Sicherung der Primärversorgung umgesetzt. Dadurch soll den Menschen ein niedrigschwelliger Zugang zu Leistungen der Gesundheitsversorgung ermöglicht und Versorgungslücken geschlossen werden. Insgesamt sollen mit dem Projekt sowohl die Partizipationschancen von Patient*innen gestärkt, als auch die Kompetenzen der Pflegekräfte in der ambulanten Gesundheitsversorgung erweitert werden. Das übergeordnete Ziel ist die Reduktion gesundheitlicher Ungleichheiten. Damit geht es gesellschaftlich auch um einen Schritt hin zu gleichwertigeren Lebensverhältnissen und zu einem gesünderen Leben für alle Menschen.
In der abschließenden Diskussionsrunde wurde deutlich, dass viele einzelne Bereiche noch intensiver angeschaut und bearbeitet werden müssen, bevor das CHN Konzept 2020 auf der Veddel tatsächlich in die Umsetzung kommen kann. Zudem müssen und sollen eine ständige Evaluation sowie die daraus resultierende Veränderung und Anpassung der Arbeit als ein zentrales Element des Konzepts gesehen werden. Demnach gibt es weitere Fragestellungen, die uns beschäftigen:
- Wie kann eine Finanzierung der Gemeindeschwester aussehen, welche eine unabhängige Arbeit gewährleistet? Wie kann eine Abrechnung gestaltet werden?
- Auf welcher Grundlage kann die Pflegesprechstunde strukturiert werden? (Wie) ist diese zu auszugestalten?
- Wie können wir ein genuin pflegerisches, erweitertes Handlungsfeld entwickeln?
- Wie kann die Gemeindeschwester dazu beitragen, Gesundheit zu politisieren bzw. zu kollektivieren?
- Wie verbindet man die gesundheitliche Fürsorge für Einzelpersonen mit der Gemeinwesenarbeit?
- Wie können die Erfahrungen und Grundsätze aus der Hospizarbeit bzw. der Palliativcare-Arbeit in das CHN-Konzept integriert werden?
- Wie kann eine treffende Berufsbezeichnung lauten? Wird diese Frage während der Arbeit beantwortet? Wie wichtig ist diese Frage tatsächlich?
Ausblick:
Es wurde in Kooperation mit der HAW Hamburg ein Forschungsantrag gestellt, der sowohl die Implementierung der CHN in Poliklinik und Stadtteil als auch die wissenschaftliche Begleitung des Projekts im Fokus hat. Das Ergebnis ist ausstehend. Die Arbeitsgruppe CHN beschäftigt sich weiterhin mit der Konkretisierung des Konzepts und der Beantwortung der vorangegangenen Fragestellungen. Im Oktober 2019 ist ein weiterer Fachtag zu diesem Thema geplant. Dabei soll die Möglichkeit entstehen, gemeinsam mit Expert*innen und Interessierten offene Fragestellungen zu diskutieren.