Pressemitteilung zur Situation an der Hafenbahn

Pressemitteilung vom 20.11.2020

Die Folge-Unterkunft an der Hafenbahn wird aufgelöst. Die Bewohner*innen fordern ein Rückkehrrecht!

Bis 2024 soll das neue Quartier Am Hafenbahnpark von fördern und wohnen AöR (f&w) auf der Veddel fertig gestellt sein. Nun müssen die Bewohner*innen der derzeitigen Folge- Unterkunft An der Hafenbahn raus und werden bis zum 17.12.20 in andere Unterbringungen von f&w umverteilt.

Bereits im Mai 2019 haben die Institutionen der Veddel Kontakt zur Geschäftsführung von f&w, der Behörde für Stadtentwicklung und Wohnen und dem Bezirksamt Hamburg Mitte Kontakt auf genommen. In dem gemeinsamen Schreiben haben sie um einen transparenten Prozessverlauf und um eine kontinuierliche und rechtzeitige Informationsweitergabe gebeten.

Entgegen aller Zusagen von f&w wurden die Bewohner*innen jedoch weder frühzeitig informiert noch ein Gespräch mit Ihnen gesucht. Erst vor zwei Wochen wurden sie über die kurzfristig bevorstehenden Umzugstermine informiert. Die ersten Familien mussten bereits umziehen, eine Wahlmöglichkeit besteht nicht. Die meisten Unterkünfte sind am absoluten Stadtrand Hamburgs und reißen somit Erwachsene wie Kinder aus ihrem sozialen Umfeld.

„Die Bewohner*innen der Hafenbahn leben bereits seit mehreren Jahren bis Jahrzehnten auf der Veddel. Die Kinder gehen hier oder in der Umgebung in den Kindergarten und zur Schule. Viele sind an das Romani Kafava, das Stadtteilgesundheitszentrum Poliklinik und die Stadtteildiakonie angebunden. Die Situation ist absolut krisenhaft. Die Bewohner*innen verlieren ihre sozialen Bezüge, verlieren ihre Stabilität. Und sie sind aufgrund der komplexen Lebenslagen besonders vulnerabel.“ ergänzt Madeleine Does von der Gesundheits- und Sozialberatung der Poliklinik.

Ayla, die mit kurzer Unterbrechung bereits seit 30 Jahren in der Hafenbahn lebt, ist erschüttert: „Ich bin alleinerziehend und bekomme viel Unterstützung durch meine Nachbarin, auch wenn ich mal krank bin. Jetzt komme ich, obwohl ich darum gebeten habe mit meiner Nachbarin zusammen ziehen zu können, in einen anderen komplett anderen Stadtteil. Was soll das? Wie soll es denn nun weitergehen? Ich möchte gerne zurück, wenn die neuen Häuser fertig sind.“

Ähnlich beschreibt es Zumretta Sejdovic, seit 15 Jahren Bewohnerin der Unterkunft an der Hafenbahn: „Hier sind meine Freundinnen und Freunde, und die meiner Kinder und Enkelkinder. Ich musste in meinem Leben viel reisen, war auch schon früher in Deutschland. Aber so ein Freiheitsgefühl, wie hier auf der Veddel hatte ich noch nie. Hier ist wirklich mein zu Hause. Ich bin wirklich sehr traurig.“

In einem langjährigen Engagement hat Zumreta Sejdovic zudem den Anlaufpunk „Romani Kafava“ in Wilhelmsburg aufgebaut. Das Café hat sich als wichtiger Treffpunkt für Fragen und Sorgen aller Art von Inselbewohner*innen und anderen entwickelt. Sie macht sich Gedanken: „Jetzt soll ich in einen anderen Stadtteil, den ich nicht kenne und wo ich kein Netzwerk habe. Was wird aus meiner Arbeit? “, sagt die engagierte Netzwerkerin traurig.

„Dass den alten Bewohner*innen nicht mal ein Rückkehrrecht garantiert wird und sie innerhalb von zwei Wochen ausziehen müssen, ist ein Skandal“, erläutert die ehemalige Stadtteilarbeiterin auf der Veddel und direkte Nachbarin Nina Reiprich. „Ich kann es nicht fassen, dass Familien seit teilweise 15 Jahren in solchen Unterkünften geparkt und vollkommen ignoriert werden. Die Gebäude an der Hafenbahn wurden über Jahre hinweg vernachlässigt. f & w ist ein städtisches Unternehmen, dass mit einem besonderen Alleinstellungsmerkmal die auf dem Wohnungsmarkt besonders benachteiligten Menschen unterstützt. Die jetzigen Bewohner*innen werden nun für das Neubauvorhaben verdrängt.“, so Nina Reiprich weiter.

Kolya Lücke kennt die Familien seit Jahren. “Wohnen ist bei weitem nicht die einzige Ebene auf der die Familien Stigmatisierung und Entrechtung erfahren. Das intransparente und kurzfristige Verfahren in dem die Bewohner_innen auf andere Wohnunterkünfte verteilt wurden zeugt erneut von der systematischen Diskriminierung und Missachtung von Menschen mit Fluchterfahrung. Viele Bewohner*innen der Hafenbahn können sich oft schon in zweiter oder dritter Generation nicht aussuchen wo und wie sie wohnen und leben wollen. Sie können sich nur eingeschränkt ein Umfeld für ihre Kinder auswählen. Und auch Kindern sollte es zu stehen mit zu entscheiden wenn gravierende Veränderung ihres Umfelds bevorstehen.“

„Herr Mollenhauer hat in seinem Schreiben zugesichert, mit den jetzigen Mieter*innen Mietverträge für die neuen Wohnungen im geplanten Hafenbahnpark abzuschließen. Nachdrücklich möchten wir auf diese Aussage hinweisen und ein Rückkehrrecht aller Mietparteien in den zukünftigen Neubau zum jetzigen Zeitpunkt rechtlich fixieren“, so Tina Röthig, Stadtteilmitarbeiterin der Poliklinik Veddel.

„Nicht nur den Bewohner*innen, sondern auch den Institutionen ist und war es wichtig, dass es zu keiner Verschlechterung der Wohnsituation kommt, endlich Mieter*innen-Rechte für alle gelten und die Menschen nicht aus ihrem sozialen Umfeld gerissen werden oder sich zumindest früh auf die neue Situation einstellen können. Nun sind wir überrumpelt und wütend, dass weder der versprochene Austausch stattgefunden hat, noch in keinster Weise die Zusagen von f & w bisher umgesetzt wurden.“ so Sina Schröppel, ehemalige Stadtteilarbeiterin bei NEW HAMBURG und Freundin der Bewohner*innen.

„f&w sollte doch als Unternehmen das Interesse haben, die Bewohner*innen in richtigen Wohnraum zu vermitteln. Wir werden die Bewohner*innen in der jetzigen Situation begleiten und empfehlen nachdrücklich das Vorgehen zu überdenken. Wir sprechen uns explizit dafür aus, die Wünsche der Bewohner*innen zu berücksichtigen. Dazu gehört ein geschlossener Wohnraum in der Nähe und eine rechtliche Fixierung des Rückkehrrechts sowie ein Mietvertrag! Die Bewohner*innen stehen Rechte zu. Nehmt die Leute ernst.“ betont Madeleine Does.

Pressekontakt
Madeleine Does
Poliklinik Veddel
mail: gsb@poliklinik1.org